4. Mai 2013

ASZ- und Bleiberechtaktivist von der Ausschaffungspolitik in den Suizid getrieben – Demo heute 16 Uhr Helvetiaplatz

„Ich weiss nicht was als nächstes passieren wird. Jedes mal wenn ich nach draussen gehe,
bete ich zu Gott, dass ich wieder zurückkommen werde.“

Am 2.5. wurde  der ASZ- und Bleiberechtaktivist Moncef S. tot im Keller seiner ehemaligen Wohnung aufgefunden. Er hat Suizid begangen.
Moncef war seit Mitte März in Ausschaffungshaft. Als er letzte Woche von seiner bevorstehenden Ausschaffung erfuhr, versuchte er, sich im Flughafengefängnis das Leben zu nehmen. Anschliessend wurde er in eine Klinik gebracht. Von dort floh er und wurde nun gestern tot aufgefunden. Es ist bereits der vierte bekannte Selbstmord in Zusammenhang mit Ausschaffungen in den letzten sechs Monaten.
Wir sind traurig und wütend über den Verlust eines Freundes. Moncef war ein sehr herzlicher Mensch voller Wissbegierde. Seine Träume sind nun an der schweizerischen Ausschaffungspolitik zerschellt.
Moncefs Tod ist eine direkte Konsequenz der schweizerischen Migrationspolitik!

Stop mit der Ausschaffungshaft!
Stop mit den Ausschaffungen!
Kein Mensch ist illegal!

Autonome Schule Zürich / Verein Bildung für Alle
Bleiberecht-Kollektiv Zürich

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Diesen Text hat Moncef für die letzte Ausgabe der Papierlosen Zeitung geschrieben. Weil er Angst hatte, dass ihm deswegen etwas passieren könnte, wollte er nicht, dass der Text in die Zeitung kommnt.

Ich wusste, dass alles gut wird, weil in Europa alles einfacher ist.

Mein Name ist Moncef S., ich bin am 9.5.1987 in J. in Tunesien geboren. Als ich 21 Jahre alt war ging ich für ein Jahr in die Armee um in Tunis als Soldat zu arbeiten. In Tunesien kann jeder junge Mann der Armee beitreten. Nach diesem Jahr kehrte ich zu meinen Eltern zurück, fand dort aber keine Arbeit, deswegen mussten sie für mich sorgen, was ihnen aber missfiel. Sie klagten immer darüber, dass ich nicht arbeitete. Mich verärgerte es, dass sie so viel Druck auf mich ausübten. Lange wusste nicht wohin ich sollte, verliess dann aber meine Heimatstadt und kehrte nach Tunis zurück. Dort fand ich dann einen Gelegenheitsjob. Manchmal arbeitete ich auf dem Markt und manchmal half ich mit, ein Haus zu bauen. Am Anfang lebte ich noch auf der Strasse aber mit der Zeit lernte ich Leute kennen, mit denen ich zusammen zog.
Im Jahre 2011 gab es dann aber grosse politische Probleme und alle Menschen gingen auf die Strasse um gegen den Präsidenten und das System in Tunesien zu protestieren. Ich verlor alles und beschloss Tunesien zu verlassen um nach Europa aus zu wandern. Ich wusste, dass alles gut wird, weil in Europa alles einfacher ist. Mit einem grossen Schiff ging ich von Tunesien nach Genua und war eine Woche in Italien. Danach kam ich in die Schweiz und beantragte Asyl in Chiasso, ging nach einer Woche aber nach Kreuzlingen und nach einem Monat lebte ich im Kanton Zürich mit einem N Ausweis. Nach 7 Monaten bekam ich einen negativen Bescheid der Schweizerbehörden mit der Aufforderung, das Land zu verlassen.
Seit diesem Zeitpunkt muss ich die ganze Zeit darüber nachdenken wo ich hin soll. Ich kann nicht zurück nach Tunesien weil ich dort keine Zukunft habe, hier kann ich nicht nach draussen, weil mich die Polizei sonst fest nimmt und mich zurück nach Hause schickt. Ich kann auch nicht unter die Leute gehen ausser in die Autonome Schule Zürich und auch dort muss ich die ganze Zeit über meine Situation nachdenken. Ich weiss nicht was als nächstes passieren wird. Jedes mal wenn ich nach draussen gehe bete ich zu Gott, dass ich wieder zurück kommen werde.